Wie ich in Zeiten der Krise im Gebet Unterstützung und Kraft fand

Krise, aus dem griechischen Verb krinein abgeleitet, das trennen, unter-scheiden bedeutet, meint eine schwierige, problematische Situation und Zeit, die auf eine Entscheidungssituation hinführt, zu einem Wendepunkt im Leben eines Menschen. Die Krise dient dem Wachstum und der Reifung des Menschen. Sie entsteht, “ wenn sich eine Person oder eine Gruppe Hindernissen auf dem Weg zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder bei der Alltagsbewältigung gegenübersieht und diese nicht mit den gewohnten Problemlösungsmethoden bewältigen kann“ (s. Wikipedia).

So gesehen hat die psychosoziale Sicht von Krise viel gemeinsam mit dem Prozess, den Ignatius in seinem Exerzitienbuch beschreibt. Dieser ist auf „Wahl“ hin ausgerichtet, die frei von „ungeordneten Anhänglichkeiten“ getroffen werden soll. Er schließt die Bereitschaft mit ein, am Geheimnis des Leidens und Sterbens Christi teilzuhaben.

Krisen in meinem Leben als Wachstums- und Reifungsprozess auf dem Weg der Exerzitien zu verstehen, hat mir immer wieder den Horizont eröffnet, Gott darin zu suchen und sein Wirken (wenn auch nicht immer gleich) zu erkennen.

Im Folgenden möchte ich konkret Gebets-Hilfen aufzeigen, die mich gestärkt haben weiterzugehen. Ich möchte damit ermutigen und hoffe, dass etwas vom Wirken Gottes in meinem Leben aufscheint:

- Sinn finden und neuen Hoffnungshorizont entdecken - wenn Lebensperspektiven zerbrechen:

Paulus, wurde mir ein vertrauter und wegweisender Begleiter, mit seinen Erfahrungen, seinen Lebens- und Christus- Deutungen, wie sie in seinen Briefen zu finden sind. In der Betrachtung, ins Herz genommen, strahlen die Texte Hoffnung und Zuversicht aus:

  • 1 Kor. 13,12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
  • Phil 1,6 Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi.
  • Phil 2,13 Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus.

- Ausrichtung auf Christus – wenn die Bedrohung zu erdrücken scheint

Drei Bilder sind es, in denen sich mir im Schauen Christus in besonderer Weise bis heute vergegenwärtigt:

  • Rembrandts „Hundertguldenblatt“ : Christus der sich allen öffnet, denen im Dunkeln und denen auf der Sonnenseite des Lebens,
  • eine Szene aus einem Kreuzweg : die Begegnung der weinenden Frau mit Christus unter dem Kreuz,
  • der lächelnde Christus von Xavier: ein Auferstehungsbild.

- Die Kraft der Erinnerung – in Verzweiflung und Beziehungslosigkeit

„Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung“, so ein Zitat von Nelly Sachs. Immer wieder findet sich auch im Alten Testament die Aufforderung, sich an die Heilstaten Gottes zu erinnern. Exemplarisch möchte ich Ps. 77 nennen:

Ps. 77,3,6,11-14 Am Tag meiner Not suche ich den Herrn; unablässig erhebe ich nachts meine Hände, meine Seele lässt sich nicht trösten… Ich sinne nach über die Tage von einst, ich will denken an längst vergangene Jahre… Da sagte ich mir: das ist mein Schmerz, dass die Rechte des Herrn so anders handelt. Ich denke an die Taten des Herrn, ich will denken an deine früheren Wunder. Ich erwäge all deine Werke und will nachsinnen über deine Taten. Gott Dein Weg ist heilig. Wo ist ein Gott so groß wie unser Gott?

Antony de Mello hat Übungen des Erinnerns angeleitet, im Sinne des ignatianischen „Aufbau des Schauplatzes“, also mit allen Sinnen. In seiner Übung „Rückkehr nach Galiläa“ (Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen) beschreibt er die Übung so: „Kehre in deiner Vorstellung zu einer Begebenheit zurück bei der du Gottes Güte und Liebe erfahren hast … verweile dabei und empfange noch einmal Gottes Liebe … oder kehre zu einem Ereignis zurück, bei dem du Dich Gott sehr nahe fühltest oder tiefe geistige Freude und tiefen geistigen Trost erfahren hast… dieses neue Durchleben der Begebenheit wird in dir die Gefühle wecken, die du damals hattest: Freude oder Vertrauen oder Liebe … pass auf, dass du vor diesen Gefühlen nicht wegläufst, sondern verweile bei ihnen solange du kannst … verweile bei ihnen bis du Frieden spürst … dann kehre in die Gegenwart zurück …“

- Gemeinschaft der Glaubenden - wenn nichts mehr bleibt und nichts mehr zu tragen scheint

Hier hilft es einzutauchen in den Gebetsschatz und die Glaubensgemeinschaft der Kirche. Für das persönliche Beten mag es das „Vater-Unser“ sein, das „Ave-Maria“ oder der Rosenkranz, das durch diese Zeit trägt. Für mich hat die Pfingstsequenz in der direkten Übersetzung dabei eine besondere Bedeutung und die Teilnahme an der Eucharistie.

Ignatius beschreibt in seiner Betrachtung zur Erlangung der Liebe die innere Haltung des Betenden in folgender Weise: „… zu schauen wie ich stehe vor Gott unserem Herrn und allen Engeln und Heiligen, die für mich Fürsprache einlegen…“. Mir bedeutet dies, hineingenommen und mitgetragen zu sein in der Gemeinschaft der Glaubenden, auch in Zeiten in denen das persönliche Beten unmöglich erscheint.

- … doch aus dem Schmerz der Stunde wächst Leben als Gebot

So endet ein Gebet von Teresa von Avila, das mir eine Freundin in einer Grenzsituation zukommen ließ. Im Gebet von Romano Guardini „ Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand…“ wird mir das Leben als Geschenk mit jedem Atemzug bewusst, auch wenn ich es gerade schmerzhaft erfahre. Einfach in der Stille und im Atem zu sein, war in aller Trostlosigkeit so etwas wie die Nabelschnur zum Leben.

Sing, bet und geh auf Gottes Wegen; verricht` das deine nur getreu, und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei Dir werden neu – denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht!

Sonja BRAUN - Exerzitienbegleiterin, Gruppenbegleiterin
13. Mai 2016