Ja zu einer Verfassung für Europa
Stellungnahme der CVX-Luxemburg

Das jetztige Klima von Verwirrung, Polemik und Demagogie hat uns bewogen, mit dieser Stellungnahme an die Öffentlichkeit zu treten. Als mündige Bürger und engagierte Christen möchten wir die luxemburgische Gesellschaft einladen, sich auf das Wesentliche, auf das Zukunftsorientierte und Aufbauende zu besinnen. Als Mitglieder einer Weltgemeinschaft in der Kirche, in der wir seit Jahren Menschen aus Litauen, Ukraine, Polen, Malta, Kroatien und Slowenien begegnen, möchten wir zugleich vor Abgrenzung und Ausgliederung warnen und zum offenen Austausch unseres vielfältigen Reichtums innerhalb Europas einladen.

In Gemeinschaft haben wir uns mit dem umstrittenen, allzu langen, manchmal komplizierten Text des EU-Verfassungsvertrags auseinandergesetzt, Pro und Kontra Argumente erwogen und verschiedenen Meinungen Raum gegeben.

Nun, da das kommende Referendum vom 10. Juli auch in Luxemburg immer höhere Wellen schlägt, sagen wir klar unser JA zu diesem Text, auch wenn er sicher erweiterungs- und verbesserungsfähig ist. Dennoch ist er die klar bessere Alternative zu allen bestehenden, aktuellen Dokumenten. Wir sagen JA zum Text, nicht weil dieser mit einem Federstrich oder Zauberstab alles neu oder besser machen wird, sondern weil er Europa einen neuen Impuls geben wird, um geeinter in einer globalen Welt mit andern Großmächten Schritt zu halten.

Diese Verfassung beinhaltet das Potential für ein Europa der Werte, der größeren politischen und nicht nur wirtschaftlichen Gemeinschaft, der sozialen Gerechtigkeit, und für ein demokratischeres Europa als wir es bis jetzt erfahren haben. Dieser Vertrag kann neues Saatgut für unser europäisches Feld sein; wir können es aber auch brach liegen lassen, als ein Verfassungs-loses Feld; nachfolgende Generationen werden sich dann über die fehlende Ernte und über unsere fehlende Weitsicht von heute beklagen müssen.

Im Einzelnen möchten wir, beim ?Samen“ der in diesem Verfassungsvertrag steckt, folgende Aspekte besonders hervorheben:

  • Auch wenn manche von uns den Gottesbezug und das besondere Benennen der christlichen Wurzeln Europas vermissen, so finden wir an manchen Orten des Textes den Hinweis auf das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas.
  • Die Rolle der Sozialpartner und der Kirchen ist erstmals im Entwurf für die Verfassung verankert. Der Text der Verfassung erkennt offiziell die Identität und den besonderen Beitrag der Kirchen sowie religiöser, philosophischer oder weltanschaulicher Gemeinschaften an, und pflegt einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit ihnen und mit allen Vertretern relevanter gesellschaftlicher Kräfte.
  • Die Werte wie Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern werden zu den Pfeilern des Hauses Europa. Gerade die Achtung dieser Werte wird eine wesentliche Rolle für zukünftige, neue Mitgliedstaaten spielen, als unerlässliche Voraussetzung zum Beitritt in die europäische Gemeinschaft.
  • Die Garantie der Grundrechte - auch der schwächsten und ärmsten Menschen innerhalb Europas - wird in der Verfassung ausdrücklich festgelegt. So sind u. a. Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, individuelles Recht auf Arbeit , menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Förderung von sozialem Schutz im Vertragswerk festgeschrieben.
  • Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben als Aufgabe Frieden zu schaffen, Konflikten vorzubeugen und internationale Sicherheit zu stärken. Laut Verfassungstext kann sparen und nicht aufrüsten die Konsequenz eines gemeinsamen Einsatzes der vorhandenen Mittel werden.
  • Möchte die EU sich weiterhin für weltweite Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen - und dies in einer globalen Welt, zwischen Großmächten wie USA, China, Indien und Brasilien - so braucht sie eine politische, sichtbare Einheit nach außen: diese wird verstärkt durch die in der Verfassung neu vorgesehenen Posten des Ratspräsidenten und des Außenministers, sowie durch vereinfachte Vorgehensweisen innerhalb europäischer Gremien.

Seit 60 Jahren ist der Krieg bei uns beendet und es herrscht Frieden; in andern Teilen der Welt und auch an unsern Grenzen, in Südosteuropa haben verheerende Kriege das 20. Jahrhundert beendet und das Bemühen um nachhaltigen Frieden und Entwicklung in dieser Region kommt nur schleppend voran. Alle dort lebenden Bürger und besonders die Menschen aus Bosnien und Kosovo schauen mit Hoffnung und Vertrauen auf die europäische Union. An sie und an unsere Kinder sollten wir beim Urnengang am 10. Juli denken.

Schlussendlich bedeutet unser JA zu diesem Text auch eine Aufforderung an alle politisch Verantwortlichen, Europa-Politik in Zukunft nicht (mehr) an den Bürgern vorbei, sondern mit den Bürgern, mit uns allen, zu verwirklichen.

Für die CVX Luxemburg

Josée Barthel, Tessy Geimer-Biver, Pierre Meyers, Agnès Rausch, René Schmit, Toiny Schreiner, Guy Schuller.

20. Juni 2005