Warum das Projekt der Jesuiten zum Weltjugendtag “mehr” will

Man muss die Nase schon hochhalten, um in der Masse gesehen zu werden. Warum sonst nennen die Jesuiten ihren Beitrag zum Weltjugendtag “Magis” - “Mehr”? Was auch immer ihr anderen macht, so lautet doch die Botschaft, wir machen “mehr”: Besseres, Ausgefeilteres. In der Tat, genau so hat Ignatius von Loyola, der Ordensgründer der Jesuiten, auch gedacht - am Anfang des Lebens. Begeistert vom Leben der Heiligen dachte er: So will ich auch werden, so und noch besser: Ich, Ignatius, kann sogar noch “mehr”.

Doch Ignatius fällt so richtig auf die Nase. In seinem Ehrgeiz zu werden wie die Heiligen, zieht er sich zurück in die Einsamkeit, nach Manresa. Er fastet immer mehr, betet immer mehr, büßt immer mehr. Und erfährt immer weniger die Gegenwart Gottes. Bis er ganz unten angekommen ist, knapp vor dem Selbstmord, bereit, einem Hund hinterherzulaufen, wenn es etwas nutzen würde. Bis er begreift: Was ich hier tue, das will Gott nicht. Gott will “mehr” - aber ein anderes “mehr”.

In der Folge wird Ignatius wieder ein Schüler und entdeckt dieses neue “magis”: Oft, so bemerkt er, muss ich mich eigentlich nicht zwischen dem Guten und dem Bösen entscheiden, sondern zwischen dem einen Guten und dem anderen Guten. Die wirklichen Probleme liegen ja nicht dort, wo ich zwischen einem klaren Irrweg und einem eindeutigen Fortschritt wählen muss. Die Probleme fangen da an, wo ich zwei gute Ideen auf einmal habe, aber nur eine verwirklichen kann. Was soll ich dann vorziehen? Genau hier entdeckt Ignatius nun sein neues “magis”: Das sieht zwar so ähnlich aus, wie das alte, hat aber mit ihm überhaupt nichts zu tun.

Zunächst, ganz simpel: Ignatius überlegt! Damals, als Hochleistungsasket, musste er gar nicht überlegen. Ihm war letztlich immer klar, was zu tun ist. Unklar war höchstens, ob er es noch schafft. Wenn Ignatius jetzt hingegen überlegt, was das “mehr” in der Wahl zwischen zwei guten Dingen ist, dann ist er grundsätzlich unsicher und die Situation offen. Deshalb braucht das “magis” Überlegen und Experimentieren.

Und gibt es dafür einen Maßstab oder ein Kriterium? Es ist das, so entdeckt Ignatius, “was uns mehr zu dem Ziel hinführt, zu dem wir geschaffen sind”. Man höre genau hin: Es geht nicht mehr darum, immer mehr zu tun, sondern mich immer mehr führen zu lassen, mich bewegen und mein Leben verändern zu lassen auf ein Ziel hin, das Gott mir gegeben hat. Und der Weg zu diesem Ziel: ich versuche, mein Leben immer mehr zu verstehen und zu gestalten im Blick auf den, der mich geschaffen hat, der mich liebt und will, das mein Leben gelingt. Also: nicht mehr Anstrengung, sondern mehr Wachheit, nicht mehr Sagen und Wissen, sondern mehr Fragen und Suchen. Und wenn Ignatius sagt: “in allen Dingen”, dann meint er: in jeder Erfahrung, allein und gemeinsam, in Arbeit und Erholung, im Schweigen und im Feiern. Dieser Erfahrung des Ignatius will das Projekt “magis” auf die Spur kommen.

in : DIREKT der KSJ (Katholische Studierende Jugend), Herbst 2004

Tobias SPECKER sj
Oktober 2004
Vom gleichen Autor: